182. Sitzung Bonn, Freitag, den 13. Juni 1997 Beginn: 9.00 Uhr

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Präsidentin Dr. Rita Süssmuth:
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mosdorf?

Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie:
Bei Kollege Mosdorf immer, gerne.

Siegmar Mosdorf (SPD):
Herr Minister, können Sie das Parlament noch darüber informieren, wie im Rahmen der Überlegungen der Bundesregierung der Stand auf dem Sektor der Kryptographie aussieht? Es gibt da ja ganz offensichtlich einen Dissens, der den wichtigen Bereich der Sicherheitssoftware, der eine bedeutende Zukunftsbranche darstellt, möglicherweise belasten könnte.

Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie:
Kollege Mosdorf, ich will das gerne tun. Wir haben gerade in den letzten Tagen im Rahmen des vorliegenden Gesetzentwurfes im Zusammenhang mit der Frage des Zugriffsrechts der Dienste eine intensive Debatte geführt. Von seiten der Koalition und der Bundesregierung haben wir uns, wie Sie wissen, dazu entschieden, die entsprechende Regelung aus dem Gesetz herauszunehmen.
Ich finde das richtig. Denn wir müssen diese Regelung erstens auch im Zusammenhang mit dem Thema Kryptographie sehen. Zum zweiten kennen Sie meine Position: Ich warne vor Überregulierungen in diesem Bereich. Ich glaube nicht, daß es klug ist, in einem sich so dynamisch, wie wir wissen, entwickelnden Bereich zu schnellen Lösungen zu kommen.
Formal sieht die Sache so aus, daß die ministerielle Arbeitsgruppe noch tätig ist und ein Ergebnis noch nicht vorliegt. Wir werden den Deutschen Bundestag dann informieren, wenn ein Ergebnis existiert. Ich bin ganz sicher, daß sich auch die diesbezügliche Enquete-Kommission weiterhin mit diesem Thema beschäftigen wird. Wir befinden uns auch da in dem Spannungsverhältnis zwischen einerseits der Notwendigkeit neuer Regelungen und andererseits Techniken, die völlig neue Anforderungen stellen.
Ich will allerdings abschließend auch sagen, daß ich die Kollegen verstehen kann, die bisher darauf hingewiesen haben, darauf zu achten, daß sich diese neuen Technologien nicht zu einer besonderen Form des Werkzeuges für Kriminelle entwickeln. Insofern werden wir wieder in der gleichen Lage sein, wie wir es jetzt auch sind. Wir werden Regelungen finden müssen, die einerseits praktikabel sind und die verschiedenen Ziele berücksichtigen, die andererseits aber dafür sorgen, daß die Technologie selber nicht verschüttet wird.

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth:
Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zusatzfrage?

Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie:
Ja.

(Vorsitz:Vizepräsidentin Michaela Geiger)

Siegmar Mosdorf (SPD):
Herr Minister, ich möchte noch einmal nachfragen: Kann ich dann -- ich wende mich jetzt an den Zukunftsminister -- davon ausgehen, daß Sie die Prognose abgeben, daß Herr Kanther kein Kryptographiegesetz vorlegen wird?

Dr. Jürgen Rüttgers, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie:
Ich kann keine Prognose abgeben, weil wir uns darüber mit dem Kollegen Kanther, (Jörg Tauss [SPD]: Bei Herrn Kanther ist das schwierig!) aber auch mit dem Kollegen Schmidt-Jortzig noch in Diskussionen befinden. Ich habe nicht vor, jetzt irgendwelche Prognosen über Ergebnisse von Gesprächen abzugeben.

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Jörg Tauss (SPD):
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Zum Thema Kryptographiegesetz will ich etwas umfangreicher Stellung nehmen. (Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann [F.D.P.]: Das steht heute nicht an! Bleiben Sie beim Thema!) -- Kryptographie in Verbindung mit dem Gesetz zur digitalen Signatur. Ich bin etwas unter Zeitdruck. Haben Sie Verständnis, daß ich die langen Worte, die Sie kreiert haben, nicht ständig wiederhole. Ich rede über das Gesetz zur digitalen Signatur in Verbindung mit einem möglichen Kryptographiegesetz, wie es die Bundesregierung angekündigt hat. (Dr.-Ing. Karl-Hans Laermann [F.D.P.]: Das ist eine unzulässige Verknüpfung!) -- Das ist nicht unzulässig.

Die SPD hat dem Gesetz zur digitalen Signatur von Anfang an zugestimmt, unter der Voraussetzung wirksamer Kryptoverfahren -- das ist der Zusammenhang -- und vertrauenswürdiger Systeme.

Sie haben bei diesem Gesetz, von dem Sie immer sagen, es sei ein Jahrhundertwerk, eben nicht dafür gesorgt, daß es etwas breiter angelegt ist. Die Zukunft des elektronischen Rechtsverkehrs ist aber von der Tauglichkeit und der Sicherheit technischer Verfahren abhängig, die den Parteien eine beweissichere Kommunikation ermöglichen; da sind wir uns doch völlig einig.

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Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Bundesminister der Justiz:
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Drittens. Auch ein Kryptographieverbot wäre ein Rückschritt. Wir haben das mehrfach betont, und ich will es noch einmal ausdrücklich sagen. Weil man eine E-Mail nicht zukleben kann, überträgt allein das Kryptogramm die Idee des Postgeheimnisses in die Zukunft. Offene E-Mails machen ein Netz ebensowenig attraktiv wie offene Briefe einen Postdienst. Deswegen ist das, was wir hier tun, eben ausdrücklich auf irgendwelche Vorschriften zum Kryptographieverbot zu verzichten, der richtige Weg. Er wird mit Entschiedenheit und ganz bewußt so gegangen.

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