Kanther will den Krypto-Nachschlüssel

Konflikt in der Koalition um staatlichen Zugriff zu Geheimcode beim Datenaustausch


Von Helmut Lölhöffel (Bonn)

In der Bundesregierung tut sich ein neuer Widerspruch zwischen Sicherheitsbedürfnis und Schutzinteresse auf. Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) und Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) sind gegensätzlicher Meinung über Verschlüsselungstechniken bei Kommunikationsmedien.

Bei dem jetzt durch eine Rede Kanthers offenbar gewordenen Konflikt der beiden Minister geht es um das Stichwort Kryptografie. Darunter sind technische Verfahren zu verstehen, Kommunikationsvorgänge beim Datenaustausch - vergleichbar einer Geheimschrift - zu verschlüsseln. Bei der Eröffnung eines Sicherheitskongresses in Bonn sagte Kanther am Montag, einerseits sei Verschlüsselung in der Informationstechnik für Geschäfte oder Behörden unverzichtbar. Andererseits müßten den Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden "die Abhörmöglichkeiten auch der Gesprächsinhalte erhalten" bleiben, wenn sie ebenfalls mit moderner Technik arbeitenden Kriminellen auf die Spur kommen wollen.

Hierzu machte Kanther diesen Vorschlag: Nutzern solcher Techniken müsse der Gebrauch von Systemen vorgeschrieben werden, "bei denen das legale Abhören möglich ist". Die Schlüssel müßten "sicher hinterlegt werden". Mißbrauch wäre mit einer "Kombination organisatorischer, personeller, technischer und juristischer Maßnahmen" ausschließbar.

Diese Forderung sei "in der Sache berechtigt", erklärte Innenminister Kanther und stellte sich damit in Gegensatz zum Justizminister. Schmidt-Jortzig hatte sich vor zehn Tagen im Bundestag gegen eine "Hinterlegung aller Schlüssel bei einer zentralen Behörde" ausgesprochen: Im vorliegenden Entwurf des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes sei diese Forderung "zu Recht nicht aufgegriffen" worden. Der FDP-Abgeordnete Karl-Hans Laermann bestätigte, daß es Beschränkungen der Verschlüsselung "mit der FDP nicht geben wird", wofür er auch Beifall aus der CDU bekam.

Kanthers Eintreten für die Interessen von Kriminalbehörden und Geheimdiensten sieht der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss als "Tiefschlag für Kommunikationsunternehmen": Wer deren Krypto-Produkte anwende, würde "in die Nähe von Kriminellen gerückt". Entschieden sprach er sich dagegen aus, "Nachschlüssel" bei staatlichen Stellen zu hinterlegen. Tauss ist sich jedoch sicher, daß Kanther sich mit seinem "Drang zum Überwachungsstaat" gegen Schmidt-Jortzigs "liberale Maskerade" durchsetzen werde.

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